Mythos Schwäbische Alb
25.10.2011

„Ans Licht geholt“ – Pfullingen im Spiegel historischer Fremdenverkehrs- und Imagebroschüren

Druckschriftensammlung des Pfullinger Stadtarchivs im Foyer der Stadtbücherei

Pfullingen. Das Streben nach Ausgleich zu einem zunehmend durch die industrielle Arbeit geprägten Alltag und eine verbesserte Verkehrsanbindung, wie sie die 1892 in Betrieb genommene Echazbahn von Reutlingen nach Honau bedeutete, beförderten Anfang des 20. Jahrhunderts den Ausflugs- und Fremdenverkehr auch in unserer Region.
Bereits als traditionelle Ausflugsziele hatten sich der Lichtenstein oder die Nebelhöhle etabliert. Von 1901 bis 1903 entfalteten die Lichtensteinspiele in Honau überregionale Anziehungskraft. 1906 kam der Schönbergturm als beliebtes Wanderziel und Wahrzeichen des Echaztales hinzu.
Für die hiesigen Städte und Gemeinden verbanden sich mit dieser Entwicklung einerseits gemeinsame wirtschaftliche Interessen als Ausflugs- oder Fremden-verkehrsregion, andererseits entstand eine Konkurrenzsituation, die es erforderlich machte, den individuellen Charakter, die Schönheit und Vorzüge der eigenen Gemeinde öffentlichkeitswirksam hervorzuheben.
Zunächst waren es private Initiativen, wie die 1889 gegründete Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins oder der 1904 ins Leben gerufene Verschönerungs-verein Pfullingen, die sich dieser Anliegen annahmen. Sie sind in ihrer Naturverbundenheit den zeitgenössischen Gegenströmungen einer zunehmend industriell geprägten Umwelt und Gesellschaft zuzurechnen.

Im Jahr 1909 veröffentlichte der 2. Stadtpfarrer von Pfullingen, Karl Kuppinger, unter dem Titel „Pfullingen und Umgebung“ einen Orts- und Wanderführer. Finanzier des mit Kartenbeilagen, Abbildungen und künstlerischen Buchillustrationen aufwendig ausgestatteten Bändchens war einmal mehr der Pfullinger Mäzen Louis Laiblin. In Pfullingen stellt es wohl eines der frühesten Beispiele für Publikationen dar, die sich in werbender Absicht an ortsfremde Reisende und Besucher richteten. Zielsetzung und grundlegendes Dilemma kommen im Vorwort zum Ausdruck, in dem es heißt: „Der Lichtenstein ist das Reiseziel von vielen, die zu Fuß oder im Wagen, mit dem leichten Rad oder im sausenden Automobil oder mit der Eisenbahn unser Tal berühren. Sie kommen alle durch unsere Stadt. Die meisten eilen vorüber und doch wäre Pfullingen es wert, daß man ihm auch einige Zeit widmete. Dies zu zeigen ist der Zweck dieses Büchleins.“
Stärker auf die gemeinsamen Interessen der Echaz-Gemeinden, auf ihre regionale Identität, zielte der Pfullinger Stadtpfarrer Gottfried Maier in seinem „Führer durchs Echaztal“ aus dem Jahr 1913 ab, in dem er pathetisch schreibt: „Wie sehr die Wildheit des Hochgebirges, die Unendlichkeit des Meeres, der Glanz der Weltstädte fesseln mag, unser Tal hat seine besonderen Reize; es entzückt immer aufs neue bald durch malerische Anmut, bald erhabene Größe.“ Auch die wirtschaftlichen Aspekte kamen hier nicht zu kurz, indem in einem knapp 30-seitigen Anzeigenteil, von Gasthöfen bis hin zum Hersteller des „altbewährten Stärkungsmittels Higiama“, der „idealen Zwischenspeise für Touristen, Bergsteiger und Sporttreibende“ zielgruppengerecht inseriert wurde.

Die Fremdenverkehrsförderung wurde nun auch institutionell fest verankert, wie im 1912 gegründeten Fremdenverkehrsverein für Reutlingen und Umgebung.
Überregional hatte sich bereits im Jahr 1908 die Württembergisch-Hohenzollerische Vereinigung für Fremdenverkehr konstituiert, deren Nachfolgeverband die Stadt Pfullingen erst auf persönliche Initiative und unter Zusicherung finanzieller Unterstützung wiederum Louis Laiblins im Jahr 1917 beitrat.
Den Anfang selbständiger Werbedruckschriften im eigentlichen Sinne bezeichnet in Pfullingen ein kleines Schwarzweiß-Faltblatt, das der hiesige Verschönerungs-verein im Jahr 1934 herausgab. Es zeigt auf der Vorderseite den Schönbergturm und liefert neben einem kurzen Überblick zu Verkehrsverbindungen und Sehens-würdigkeiten auch Wandervorschläge und eine Übersicht der Pfullinger Gasthöfe.

Bei den nach dem 2. Weltkrieg wiederaufgenommenen Werbeaktivitäten trat die Stadt Pfullinger nun selber als Herausgeber entsprechender Druckschriften auf, wobei durchaus auch unkonventionelle Wege beschritten wurden. So veranstalte-te man im Jahr 1951 auf Initiative von Bürgermeister Gustav Fischer einen Fotowettbewerb, um die schönsten Bilder für ein neues Werbefaltblatt und „den brauchbaren Rest“ für das durch den Brand im Jahr 1945 dezimierte Stadtarchiv zu verwenden.
In jedem Jahrzehnt von 1950 bis in die 1990er Jahre erschien ein neuer Stadt-prospekt, in dem sowohl städtische als auch gesellschaftliche Veränderungen, gewandeltes Freizeit- und Konsumverhalten ihren Niederschlag fanden. So scheint etwa Pfullingen als Industriestandort in der von Schulrat a.D. Wilhelm Ziegler im Jahr 1954 verfassten Broschüre keinerlei Rolle zu spielen, obwohl das veröffentlichte Panoramabild mit seinen zahlreichen Fabrikschloten eine andere Sprache spricht. Pfullingen liegt hier „im Echaztal, einem der lieblichsten Albtäler, inmitten eines Waldes von Obstbäumen“. Anders der Prospekt aus dem Jahr 1966, in dem es heißt: „Bürgerfleiß und Unternehmer-Initiative haben, tatkräftig von der Verwaltung gefördert, Industrie und Gewerbe aufblühen lassen: Textil- und Lederfabrikation, Maschinen- und Apparatebau, [‚Ķ] – alles in sauberen, modernen Betrieben, die den Charakter dieser Stadt im Grünen nicht verändert haben“, wie noch einmal ausdrücklich betont werden muss.
Der 1984 publizierte Stadtprospekt schließlich soll nicht nur Außenwirkung entfalten, sondern in einem durch Stadtsanierung und Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur gewandeltem Umfeld dem Pfullinger selbst neue Identifikationsmöglichkeiten eröffnen. Ganz programmatisch ist eine seiner Rubriken daher überschrieben „Pfullingen – unsere Stadt“.

Wer einen näheren Blick auf die in der Druckschriftensammlung des Pfullinger Stadtarchivs verwahrten Broschüren werfen möchte, hat dazu seit kurzem in der kleinen Präsentation des Stadtarchivs im Foyer der Stadtbücherei Gelegenheit.

Quelle: Stadt Pfullingen, www.pfullingen.de, Stefan Spiller, Stadtarchiv Pfullingen

 

Datum

25.10.2011