Mythos Schwäbische Alb
16.09.2011

Der Uracher Fenstersturz

Schauspieler Peter Bongartz im sonnigen Bad Urach

 

Bad Urach. Markante Gesichter prägen dieser Tage den Marktplatz im sonnigen Bad Urach. Eines gehört dem Schauspieler Peter Bongartz, der damit allerlei anstellen kann. Ausdruck, nennt man das wohl.

Schwarzes T-Shirt, schwarze Weste und eine zierliche Kamera, der alsbald der Saft ausgeht: Bernd Mall, der für die Stadt Bad Urach unter anderem die Äffentlichkeitsarbeit macht, steht mitten unter den Filmschaffenden auf dem Marktplatz. Es ist Drehtag, die Sonne scheint, der berühmte Schauspieler Peter Bongartz steht hinter einem Marktstand. Und wäre da nicht die Crew, die Kameraleute, der Ton, die Schminke: Wer weiß, wie lange es dauern würde, bis ein Passant zu Peter Bongartz schritt und ein Pfund Äpfel verlangte. Das nennt man authentisch sein. Bernd Mall hat die Filmleute dieser Tage schon einige Male erlebt. Auch abends, nach Feierabend, wenn sie beim Bierchen sitzen. Wahrscheinlich liegts an der Professionalität, sagt er, aber sobald Bongartz in der Kleidung des Obstbauern über den Marktplatz geht, schlurft er, als beuge ihn die Last eines von verhagelten Apfelernten gezeichneten Lebens.
Fiktion und Wirklichkeit treffen also aufeinander und scheinen sich zu vereinen: "Ah, da sitzt ja Ihr Chef", sagt eine Passantin und deutet auf einen Herrn im Anzug. Etwas zu seriös für einen Dandy, etwas zu leger für einen Kreissparkassendirektor. Es ist Jockel Tschiersch, der im Film also den Chefredakteur gibt und vor dem Café "Beck" an seinem Laptop arbeitet: "Dann mische ich mich mal unerkannt unters Volk", hatte er kurz zuvor zu seinem Aufnahmeleiter gesagt. Da saß er also, erlebte einen wahrhaft fulminanten Hustenanfall eines wirklichen Volksangehörigen am Nebentisch, ohne sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen. Das zeichnet auch die Crew aus, wie Bürgermeister Elmar Rebmann bestätigt. Ganz sachlich, ganz professionell, ruhig, freundlich, konzentriert. Auch die Uracher begegnen den Fernsehschaffenden mit höflichem Respekt. Dass die Wilhelmstraße von Fernsehtrucks zugeparkt wird, schert niemanden. Im Gegenteil: Irgendwie ist Leben in der Bude. Die Schauspieler wohnen für die Zeit des Drehs in Bad Urach, ebenso die teilweise freien Mitarbeiter des Teams. Am Dienstagabend waren einige im "Bräustüble", um Fußball zu schauen. Auf den Putz können sie kaum hauen. Morgens um sechs ist die Nacht wieder rum.
Eine hübsche junge Dame nestelt an der Schürze von Peter Bongartz. Irgendwas stimmt mit dem Träger nicht. Zugegeben, als echter Journalist hätte man es geschickter anstellen können, herauszufinden wer sie ist, als zu fragen: "Da Sie nun auf dem Foto sind, wie heißen Sie denn?" Immerhin goutiert sie es mit größtmöglicher Gelassenheit, um nicht zu sagen, mit herzlicher Freundlichkeit: "Ich bin die Gans". Au. Volltreffer. Eine der Hauptdarstellerinnen für eine Aushilfe aus der Schminke gehalten.
Die Gans heißt mit Vornamen Emily. Sie ist Redakteurin beim Uracher Boten. Ihr Chef ist Siegfried Wenz alias Jockel Tschiersch. Und Peter Bongartz spielt den Ex-Kommissar Urban Fuchs. Zusammen lösen sie allerlei Kriminalfälle, wobei die Gans als treibende Kraft gilt. In einem Fall geht es um einen Handwerker, der die Rathausuhr repariert und dabei aus dem Fenster des Rathauses fällt. Emily findet heraus, dass er gestoßen wurde. Und der alte Kommissar, frühpensioniert und kauzig, leidet unter der jungen Emily. Er leidet gut. Allein schon bei den Proben zuzusehen, dieses zu allerlei Verrenkungen fähige Gesicht von Peter Bongartz beobachten zu können, macht richtig Spaß. Bis zu dem Moment, wo der Aufnahmeleiter mal wieder Tacheles redet: "He, hier wird nicht geblitzt!"

Quelle: Südwestpresse, www.swp.de, Autor: Peter Kiedaisch, 15.09.2011

 

Datum

16.09.2011