Die neue Ausgabe Marktleben: Augenblicke - Die Region durchschauen
Thomas Gut, Optikermeister aus Münsingen, verbindet seine Liebe zur Region mit der Begeisterung für’s Handwerk. Seine Holz- und Hornbrillen sind absolute Unikate.
Der Wacholder gehört zu den prägnantesten Symbolen der Schwäbischen Alb. Er wächst nur dort, wo Schafe die schneller wachsenden Triebe anderer Sträucher abweiden. Dort entfaltet er seine imposanten Formen, wächst einzeln und eigenwillig, jede Pflanze ein Individuum. Seine ätherischen Öle verleihen dem Holz einen fast magischen Duft.
Immer schon war der Münsinger Optikermeister Thomas Gut beseelt von der Liebe zu seiner Region. Seit Jahren vertrat er die Marke ALBTRAUF, Brillen, die nur aus Teilen bestehen, die in einem Umkreis von 50 bis 100 Kilometer produziert werden. So reifte in ihm ein außergewöhnlicher Gedanke: Brillen aus Holz zu fertigen, aus dem Holz seiner Heimat, dem Wacholder.
Jahrelange Entwicklungsarbeit
Holz hat wenig Gewicht, was für Brillen ein großer Vorteil ist. Aber leider ist es längst nicht so stabil, wie es für einen dünnen Brillenrahmen sein muss. Nun ist der Albwacholder durch sein langfaseriges Holz zwar besonders geeignet, aber das alleine reichte nicht aus. „Wir hatten ja unser Auskommen und daher viel Zeit“, erzählt der Tüftler, der gemeinsam mit seinem Team, den beiden Augenoptikermeistern Simone Herrmann und Florian Stefanz, lange experimentierte, um durch mehrfache Verleimung die benötigte Stabilität zu erreichen.
Eine noch größere Herausforderung war jedoch die Anfälligkeit von Holz für Feuchtigkeit und, bei Brillen besonders brisant, Schweiß. Denn Thomas Gut wollte auf keinen Fall mit einer dichten Lackierung auf den feinen Duft verzichten, den das Wacholderholz verströmt. Nach immer neuen Versuchen und unzähligen Fehlschlägen entwickelte er zusammen mit dem Lagerhaus in Dapfen und dem Messermacher Janosch Vecernjes aus Hohenstein ein thermisches Leinöl-Wacholderwachs-Verfahren um das Holz zu schützen. Das eigens entwickelte Wacholderwachs schützt das Holz perfekt, ohne ihm die Struktur seiner Oberfläche, seine Haptik, seinen Duft zu nehmen.
Daran zeigt sich echte Regionalität, dass es das Zusammenkommen mehrerer Faktoren braucht, die man eben nur in dieser einen Region bekommen kann. „Es muss für unsere Brillen auch unbedingt der wild wachsende Wacholder von der Alb sein“, erklärt Thomas Gut. Da die Wacholderheiden der Alb sehr trocken sind, wachsen die Pflanzen hier sehr langsam. Das ist der Grund, dass sie hier eine filigrane Maserung, eine ganz eigene Charakteristik entwickeln. Dabei wird der Bestand nicht dezimiert, sämtliches Holz, das für die Brillen benötigt wird, stammt aus routinemäßigen Pflege- maßnahmen.
Gläserne Manufaktur
Viele Jahre der Entwicklung sind ins Land gegangen, aber inzwischen sind Thomas Gut, Simone Herrmann und Florian Stefanz dort angekommen, wo sie hinwollten. Begonnen hatten sie lediglich mit Wacholder-Intarsien an den Brillenbügeln, dann kamen komplette Bügel aus Wacholderholz zum Einsatz und schließlich wurde das gesamte Brillengestell aus Holz hergestellt.
Glück war, dass das Pflüger-Haus, direkt neben dem Münsinger Hauptgeschäft von Optik Gut frei wurde und so darin eine gläserne Manufaktur eingerichtet werden konnte. Inzwischen stehen dort sämtliche Maschinen, die ein Schreinerbetrieb auch hat, nur kleiner. Vom Holz, das im Gewölbekeller lagert, bis hin zur fertigen Brille geschieht hier jeder Fertigungsschritt in Handarbeit. Nach vorheriger Terminabsprache bietet Thomas Gut gerne Führungen an, auch für Gruppen. Man würde wohl weit fahren müssen, um etwas Ähnliches irgendwo zu sehen zu bekommen.
Vielfalt für Individualisten
Jedes Stück, das hier entsteht, ist ein Unikat. Die gut eingerichtete Manufaktur gibt Thomas Gut die Möglichkeit, extrem individuell auf die Wünsche seiner Kunden einzugehen. Sie können sich schon vor der Fertigung der Brille Farbe und Maserung des Holzes aussuchen. Menschen mit besonders breiter, besonders schmaler Nase oder außergewöhnlich großem oder kleinem Kopf sind oft überglücklich, hier endlich eine Brille zu bekommen, die wirklich passt. Und selbst- verständlich kann, wiederum nachhaltig, repariert werden, was durch einen Unfall mal kaputt geht.
Aber die Leidenschaft von Thomas Gut geht inzwischen noch weit über die Wacholderbrille hinaus. Inspiriert von der Philosophie des Bio-Starkochs Simon Tress aus Ehestetten, aus Respekt vor den Tieren alle Teile zu verwerten und nichts wegzuwerfen, besann er sich darauf, dass Horn lange schon ein bewährtes Material für Brillen war.
Edles für Kenner
Mit der ihm eigenen Zähigkeit hat er es geschafft, das Horn der Albbüffel zu verarbeiten. Das extrem harte Material verlangt einem Handwerker alles ab – außer dem Münsinger gibt es daher nur eine Handvoll Brillenbauer in ganz Deutschland, die Brillen aus diesem glasharten Naturmaterial herstellen. Die Modelle Willi und Ludwig sind da eine Hommage an die Menschen, die mit dem Büffel zur Identität der Schwäbischen Alb beigetragen haben: Willi Wolf und Ludwig Failenschmid.
Das tiefschwarze Horn zeigt, poliert, vereinzelt wolkige weiße Schleier in einer dreidimensionalen Tiefe. „Dazu diese warme Haptik – das bringt Brillenkenner zum Seufzen“, erzählt Thomas Gut. Jede Brillenform, die man in Wacholder erwerben kann, kann man auch aus Horn bekommen. Oder man kombiniert ein Holzgestell mit Bügeln aus Büffelhorn – ein besonders schöner Kontrast entsteht zwischen dem hellen Holz und dem dunklen Horn.
Darüber hinaus ermöglichen Oberflächen aus gefärbtem Leder Holzbrillen in jeder Farbe, und sogar der Stoff des ausgetragenen Lieblingshemds kann dafür in Frage kommen. Rahmenformen können individuell angepasst werden – die Möglichkeiten sind unbegrenzt und jeder Kunde wird selbst zum Designer.
Für die Holz- und Hornbrillen muss man in sein Stammhaus Optik Gut nach Münsingen kommen, das, inhabergeführt seit 1947, Thomas Gut vor 30 Jahren von seinen Eltern übernommen hat. Wie er war auch sein Vater sowohl Optiker- als auch Uhrmachermeister. Hier kann man sich in der Manufaktur die Farbe und Maserung der Hölzer aussuchen und sich in einem persönlichen Beratungstermin auf den Weg machen zu der Brille, die so individuell ist, wie man selbst.