Mythos Schwäbische Alb
12.10.2020

Neue Ausgabe des Magazins Marktleben. Gemeinschaftskorn - Das Brot reicher Landschaft

Mit ihrem 25-jährigen Bestehen feiert die Albkorn-Erzeugergemeinschaft den anhaltenden Erfolg einer guten Idee: Ihre transparente Produktion vom Acker bis zur Ladentheke zeigt, was Regionalität bedeuten kann.

Es gab Zeiten, da galt die Schwäbische Alb als sehr arm. Heute schätzen wir ihren Reichtum, einen Schatz, der sich in Geld nicht bemessen lässt. Es sind die Räume intakter Natur, eine bodenständige Landwirtschaft, wunderbare Kulturlandschaften, und es sind herausragende Lebensmittel, die von hier kommen.

Ermöglicht wird das durch eine Wirtschaftsweise, bei der die Betriebsgrößen kleiner, die Arbeitsweise naturnaher ist. Hier raubt die Landwirtschaft nicht in industriellem Maßstab die Ressourcen der Erde, hier tummeln sich unzählige kleinere Akteure, qualitätsbewusste Landwirte und Handwerker, die ihren Beruf aus Überzeugung leben.

Sie schaffen Netzwerke und finden Wege, wirtschaftlich abseits von Wachstumswahn und Preisdiktat zu existieren. Das ist alles keineswegs selbstverständlich und das Engagement und Herzblut, das viele in gut schwäbischer Weise in ihre Arbeit geben, ist immer wieder erstaunlich und bewundernswert.

Regionalität ernst genommen

Ein Projekt, das in diesem Zusammenhang immer wieder hervorsticht, ist die Erzeugergemeinschaft Albkorn. Dieses Jahr feiert sie ihr 25-jähriges Bestehen und zeigt damit, dass die Idee, aus der heraus sie gegründet wurde, sich bewährt hat. Ein außergewöhnliches Maß an Transparenz und Regionalität wird bei Albkorn dadurch erreicht, dass Bäcker, Bauern und der Müller zusammenarbeiten.

Zu wissen, woher das Korn kommt, aus dem das Mehl gemahlen wird, das er verbackt, ist für einen Bäcker heute kaum noch möglich. Zu zentralisiert sind die meisten Mühlen, zu groß ihre Silos, um hier nach einzelnen Lieferanten zu unterscheiden. Die Getreidemühle Luz in Buttenhausen ist eine der wenigen kleineren Mühlen, die sich erhalten hat und Erwin Luz war vor 25 Jahren einer der Gründer von Albkorn.

In unserer Region garantieren heute zehn Bäckermeister mit ihrer Marke Albkorn, dass das Getreide für ihr Mehl von Äckern kommt, die nicht weiter als 50 km entfernt liegen. Das spart Transport und CO2-Ausstoß. Die 23 Landwirte, die das Korn dafür anbauen, verpflichten sich zu einer naturschonenden Arbeitsweise mit nur einem Minimum an Düngung und Pflanzenschutz und mit Blühstreifen am Ackerrand für die Insekten. Außerdem ist die Berg Brauerei Teil der Erzeugergemeinschaft. Ihre Bier-Spezialitäten Bräumeister Pils, Berg Märzen und Herbstgold werden alle mit 100% Albkorn-Gerste gemaischt.

Es geht nur miteinander

Den Mehraufwand, den die Landwirte aufbringen, können sie nur leisten, weil sie von der Albkorn-Gemeinschaft verlässliche Preise zugesagt bekommen. Anders als bei großen Handelsketten, entsteht hier keine Abhängigkeit, sondern Zuverlässigkeit. Hier stehen die Landwirte nicht am Ende einer Preisdruckkette, sondern erhalten die Wertschätzung, die ihnen gebührt, denn ihre Arbeit ist die Basis für das, was wir essen.

„Besonders in den Anfangszeiten von Albkorn gab es da hitzige Diskussionen bei den Preisabsprachen“, erinnert sich Bäckermeister Michael Haug, der Sprecher der Gemeinschaft ist. Aber 25 Jahre zeigen, dass man sich immer zusammengerauft hat. Und das ist der entscheidende Punkt. Hier sind lauter Individualisten am Werk, die auf Augenhöhe miteinander verhandeln. Nicht nur über Preise, auch die Qualitätskriterien und deren Einhaltung werden gemeinsam geregelt und kontrolliert. Das ist eine verlässlichere Transparenz, als es Gütesiegel leisten könnten, denn hier kennt man sich gegenseitig und weiß voneinander.

„Jeder trägt seine Verantwortung für das Ganze und gleichzeitig ist jeder sein eigener Herr“, so beschreibt das Frank Geiselhart, Landwirt aus Ehestetten. Und so sehen das auch die Bäcker. Es gibt kein einheitliches Albkorn-Brot, jeder hat und behält seinen eigenen Stil und seine eigene Kunst.

Handwerk ist Qualitätsarbeit

„Die Kunden merken schon den Unterschied zwischen unseren Backwaren und denen der großen Ketten“, sagt Anika Schäfer, die die Bäckerei in Eningen vor vier Jahren von Edmund Sautter, dem Sohn des Albkorn-Initiators Wolfgang Sautter, übernommen hat. Wie hier hat sich inzwischen in vielen der Albkorn-Betriebe der Generationenwechsel vollzogen.

Es gibt sie noch, und es braucht sie unbedingt, die jungen Menschen, die körperlich harte Arbeit nicht machen, weil sie müssen, sondern weil sie sie lieben. Weil sie einen Sinn darin sehen, beispielsweise als Bäcker mitten in der Nacht aufzustehen, um ein Brot zu backen, das gesund ist und das nicht deswegen gut aussieht, weil darin viel Chemie steckt, sondern weil es mit handwerklicher Kunst gebacken wurde.

Was den Unterschied ausmacht

In den handelsüblichen Mehlen für die Großbäckereien sind eine Unzahl von Mehlbehandlungsmitteln beigesetzt, die das Mehl für die industrielle Verarbeitung standardisieren. Maschinen können aber nicht auf unterschiedliche Mehleigenschaften reagieren. Die handwerklich arbeitenden Bäcker hingegen schon, und dank der direkten Verbindung von Bäckern und Mühle sind die Albkorn-Mehle völlig frei von solchen Zusätzen.

Auch beim Anbau zeigt sich, dass auf kleineren Flächen vieles möglich ist, was im industriell durchgeführten Großflächenanbau nicht geht. Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsamt wird von Jahr zu Jahr beraten, welche Sorten am besten zu Boden und Klima passen, so dass für ihren Ertrag und ihre Widerstandsfähigkeit nur ein Minimum an Düngung und Schädlingsbekämpfung nötig ist. Wenn diese überhaupt zum Einsatz kommen, dann erst nach sorgfältigen Messungen und nur im notwendigen Umfang.

Werte schöpfen und schätzen

Wie sehr eine schöne Landschaft erhalten bleibt, hängt davon ab, wie naturnah sie bewirtschaftet wird – das ist auch der Grundgedanke des Biosphärengebiets Schwäbische Alb. Inwieweit das möglich ist, hängt von der Zahl der Menschen ab, von denen die Qualität, die eine solche naturnahe Wirtschaftsweise hervorbringt, wertgeschätzt wird. Und natürlich von denen, die so arbeiten und sich auch der Mühe stellen, die das kostet.

So schließt sich der Kreis, der mit dem Stichwort „Wertschöpfung und Wertschätzung“ bezeichnet wird: vom Landwirt über die Lebensmittelherstellung bis zum Endkunden. Wir alle haben unseren Anteil an dem, was Produzenten wie Albkorn überhaupt erst ermöglichen. Ein solches Brot und eine solche Landschaft, eine schöne Heimat mit intakter Natur zu haben, macht uns alle zu wirklich reichen Leuten. 

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