Neue Ausgabe des Magazins Marktleben - Hühnerhof
Das Leben der Hähne
Der Bioland-Bauernhof Eichberghof in Münsingen geht mit dem Zweinutzungshuhn in der Hühnerhaltung neue Wege. Hier bekommen auch männliche Küken die Chance am Leben zu bleiben – eine Chance auf ein artgerechtes und gesundes Leben.
Wenn man mit Karin und Pascal Maier spricht, spürt man sofort ihren persönlichen Bezug zu ihren Hühnern. Für sie und ihre Familie ist das Federvieh nicht einfach Produktionsmasse, sondern ein Lebewesen mit großer Empfindsamkeit, mit Bedürfnissen und Vorlieben, Tiere mit eigenem Charakter, die Freude und Leid erleben. Sie kennen den Spaß, den sie beim Scharren und Picken haben und die sozialen Beziehungen der Vögel untereinander. Sie wissen, was die Hühner und Hähne brauchen und was ihnen guttut.
Hühnerhaltung vor ethischen Fragen
An der Hühnerhaltung wird besonders deutlich, wie schwer eine achtsame Haltung gegenüber dem Tier mit einer Wirtschaftsweise zu verbinden ist, die sich ökonomisch trägt. Denn es gibt keine Rasse, die beides hat: Hennen, die viele Eier legen und Hähne, die schnell wachsen. So werden von jeder Legehennen-Rasse alle männlichen Exemplare getötet – genau 50 Prozent aller Küken. Das sind 45 Millionen pro Jahr, alleine in Deutschland.
„Jeder rechnet mir vor, dass das wirtschaftlich völlig unrentabel ist, beide Geschlechter einer Rasse zu halten“, erzählt Karin Maier. Ihre Hennen legen etwa 20% weniger Eier als andere Rassen und wiederum etwa 20% davon sind zu klein, um sie einzeln zu verkaufen. Indem die Bäckerei BeckaBeck diese Eier komplett abnimmt, erweist sich deren Chef, Heiner Beck, als stärkster Unterstützer der Idee des Zweinutzungshuhns.
Die Zweinutzungs-Hähne brauchen 16 bis 18 Wochen für die gewünschte Gewichtszunahme von 2,5 Kilo, das schaffen andere in vier – im Bio-Bereich sind es immerhin zwölf Wochen. Aber auch das bedeutet betriebswirtschaftlich, dass die Produktion mindestens 30% teurer ist.
Eine konsequente Entscheidung
Trotzdem ist es für die Maiers schlichtweg nicht der richtige Weg, bei einem Nutztier nur einem von beiden Geschlechtern das Leben zu gönnen und dem anderen nicht. Die Hähne bereits in der Brutphase, also bereits im Ei auszusortieren, die In-Ovo-Selektion, ist für sie dabei auch keine Lösung. So haben sie sich dazu entschlossen, das Zweinutzungshuhn einzuführen, also Masthähne parallel zu Legehennen der gleichen Rasse zu halten.
Die Cream and Coffee Hühner – so der Rassename – genießen den großzügigen Freilauf auf dem Eichberghof. Platz ist hier genug. Ihre circa 45 Hektar, wunderschön, mit Blick hinab auf den Ort, am Rand von Münsingen gelegen, bebauen die Maiers je zur Hälfte mit Gras und Getreide, und ernten so das meiste, was ihre Hühner benötigen – Heu und Futter – auf dem eigenen Hof. „So wissen wir genau, was unsere Tiere zu fressen bekommen“, erklärt Opa Hermann Maier. Er mischt das Futter selbst, was in der Hühnerhaltung eher selten geschieht. Was an Zufutter benötigt wird, kommt von Bioland-Höfen, zu denen die Maiers vertrauensvolle Beziehungen pflegen.
Die Vorzüge eines Bioland-Hofs
Das Familienunternehmen hat einen guten Blick dafür, was ihre Hühner brauchen, und passt die Futtermischung jeweils an, nach Bedarf kommen auch mal Kräuter aus eigenem Anbau dazu. Medikamente sind bei so einer natürlichen Hühnerhaltung kaum nötig. Gegen die rote Vogelmilbe etwa hilft Gesteinsmehl, in dem sich das Federvieh mit großem Vergnügen badet.
Die natürliche Arbeitsweise auf dem Bioland-Hof macht vieles unnötig, was andere brauchen. Unkraut wird nicht komplett vernichtet, es soll nur nicht überhandnehmen. So bleibt auch nach der Ernte noch genug stehen für die Bienen, und es müssen für die Bestäubung der Streuobstwiese – wie andernorts oft nötig – keine Bienen extra eingekauft werden.
Kräuter sind seit vielen Jahren eine Passion von Karin Maier. Zehn Ar misst ihr Kräuteracker, auf dem sie mehr als ein Dutzend Kräuter anbaut. In der eigenen Trocknungsanlage werden sie schonend getrocknet und zu Gewürzen oder Tee verarbeitet und finden dann in feinen Restaurants und manchen regionalen Produkten Verwendung.
In den Händen von Pascal Maier liegt der Gemüseanbau. Er füllt im Sommer den Hofladen mit Tomaten, Paprika, Gurken, Auberginen, Wasser- und ungeheuer leckeren Netzmelonen.
Wertschätzung für Natürlichkeit
Die Natürlichkeit, mit der auf dem Eichberghof Landwirtschaft nach Bioland-Kriterien geführt wird, schätzen viele und kommen in den schönen, gut sortierten Hofladen am Ortsausgang von Münsingen. Die wunderbaren Brathähnchen der Zweinutzungshaltung bekommt man hier tiefgefroren, neben den Suppenhühnern, den Eiern, dem Gemüse, den Kräutern und dem Apfel- und Birnen-Saft des Hofes.
Außerdem findet man Mehl aus der hofeigenen Mühle und Dinkel-Nudeln aus Mehl und Eiern des Eichberghofs. Produkte anderer Höfe aus der Region bereichern das Angebot, etwa von der BruderhausDiakonie – der Bleiche und dem Gaisbühl – oder von Lauteracher Alb-Feld-Früchte. „Wir haben das gesamte Sortiment für ein gutes Mittag- essen“, bestätigt Christine Lötzsch, die den Laden mit großer Herzlichkeit führt.
Ob sich die Idee des Zweinutzungshuhns durchsetzen wird? Pascal und Karin Maier sind fest davon überzeugt. Und jeder, der sich einmal ein Brathähnchen vom Eichberghof auf den Grill gelegt hat, merkt, dass man hier etwas ganz Besonderes isst. Diese Erkenntnis ist es, die, wenn genügend Menschen sie teilen, 4.400 Hähnen jedes Jahr ermöglichen wird zu leben, artgerecht versorgt auf einem Hof, auf dem Mensch, Tier und Natur ein gut funktionierendes Miteinander pflegen.
www.eichberghof-alb.de