Mythos Schwäbische Alb
09.10.2014

Ein Schlag in`s Gesicht aller Streuobstwiesen-Bewirtschafter!

Schlechte Zeiten für eine paradiesische Landschaft-Auch der Verbraucher ist gefragt!

Mit schlappen 3,50 € pro 100 kg Mostobst begann die Streuobsternte im Schwäbischen <link freizeittipps streuobst _blank>Streuobstparadies mit einem absoluten Kellerpreis, seit Ende August ist der Preis nur auf 5 € gestiegen. „Das ist ein Schlag in`s Gesicht aller Streuobstwiesen-Bewirtschafter“, findet der Vorsitzende des Vereins Schwäbisches Streuobstparadies, der Esslinger Landrat Heinz Eininger, deutliche Worte. „Das sind schlechte Zeiten für eine paradiesische Landschaft“, bekräftigt auch die Geschäftsführerin Maria Schropp. „Das aufwändige Bewirtschaften der Streuobstwiesen wird mit diesem lächerlichen Preis geradezu verhöhnt“, sagt sie enttäuscht.

Dass die Landesregierung eine Pflegeförderung mit 15 € für den Baumschnitt auf den Weg bringt, ist der einzige Lichtblick derzeit. Auch wenn die Mittel sicherlich nur für einen winzigen Bruchteil der Bäume ausreichen werden, ist es immerhin ein erster Schritt in die richtige Richtung: eine längst fällige finanzielle Unterstützung der Streuobstwiesen-Bewirtschafter.

Mehr Sorge bereitet dem Verein aber der historische Tiefpreis für das Mostobst. „Hätten wir vernünftige Preise und die notwendige Wertschätzung für Streuobst-Produkte, wären die Fördergelder für die Streuobstpflege nicht so bitter nötig“, sagt Schropp. Bei ihr haben in den letzten Wochen zahlreiche Streuobst-Akteure ihrem Ärger Luft gemacht. „Viele Streuobstwiesen-Bewirtschafter sind wütend und enttäuscht und schimpfen auf die Mostereien und die miserablen Preise“, berichtet sie. Ihrer Meinung nach ist die Schuldfrage dabei gar nicht ao leicht zu klären, denn „das Schicksal der Schwäbischen Streuobstwiesen wird auf dem Weltmarkt entschieden und weltpolitisch beeinflusst“, – eine Tatsache, der auch der Verein Schwäbisches Streuobstparadies etwas machtlos gegenüber steht.

Wie der aktuelle Mostobstpreis zustande kommt, ist schwer nachzuvollziehen und oft ist nicht klar, was Fakten und was reine Spekualtionen sind. Das Streuobstparadies hat auch bei einigen Mostereien nachgefragt, um den Grund für die niedrigen Preise zu verstehen. Die Mostereien in der Region müssten bei der diesjährigen Rekordernte bis zu 75 % des Safts weiterverkaufen, weil nicht alles in der Region abgesetzt werden könne. „Verkaufen müssen die Keltereien dabei zum Weltmarktpreis, der durch billiges Obst aus dem europäischen Ausland im Keller ist“, sagt Schropp. Um dabei nicht Draufzulegen, werden die Preise dem zu erwartenden Weltmarktniveau angepasst. Und dieses Preisniveau ist so niedrig, weil schätzungsweise 4 Millionen Tonnen Obst, auch bedingt durch den Importstopp nach Russland, zu absoluten Ramschpreisen auf den Markt schwemmen.

„Wir spüren einen zunehmenden Unmut und Frust bei Bewirtschaftern und auch Mostereien“, sorgt sich Maria Schropp. Ob ein Lieferboykott wie es der NABU diskutiert Abhilfe schaffen würde? „Das würde auf jeden Fall für Aufmerksamkeit sorgen, das Problem aber nicht lösen“, ist sich Schropp sicher. Der Verein will vielmehr den den Fokus auf Produkte legen, die bessere Preise erzielen und mehr Wertschätzung vom Kunden erfahren und solche Produkte stärken, entwickeln und vermarkten. Ein Vorhaben, das aufgrund des harten Preiskampfes aber nicht einfach ist.

Der Vorsitzende, Landrat Eininger, appelliert deswegen an die Verbraucher: „Die Berichterstattung über die schlechte Preislage und die Gefährdung der Streuobstwiesen ist wichtig, vergessen wird aber, dass es zahlreiche Apfelsaftinitiativen, oft in Zusammenarbeit mit den Mostereien gibt, die den Bewirtschaftern einen angemessenen Preis für das Obst bezahlen und hochwertige, leckere und gesunde Streuobst-Produkte vermarkten“, erinnert er. Das Angebot der Saftinitiativen werde durch zahlreiche Direktvermarkter abgerundet. „Der Absatz der Initiativen und Direktvermarkter könnte viel besser sein“, sagt auch Maria Schropp. „Dafür brauchen wir mehr Engagement vom Handel und vom Verbraucher. Billigsten Konzentrat-Saft im Einkaufswagen durch das hochwertigere regionale Streuobst-Produkt zu ersetzen, ist ein Beitrag, den Jeder leisten kann“.

Die Geschäftsführerin fordert hier mehr Einsatz von der Politik. Auch wenn Agrarminister Bonde bei der Vorstellung der Streuobst-Konzeption des Landes sich rechtfertigte, dass die Politik nicht in das Marktgeschehen eingreifen dürfe, besteht aus ihrer Sicht großer Handlungsbedarf. Die Europäische Union unterstütze immerhin auch mit dreistelligen Millionenbeträgen die Landwirte, die vom Importstopp nach Russland betroffen sind.

„Längst fällig ist beispielsweise eine Kennzeichnungspflicht, aus welchem Land die Rohstoffe in einem Produkt stammen“, nennt sie ein Beispiel. „Wenn alle Baden-Württemberger auch nur Apfelsaft aus Baden-Württemberg trinken würden, könnte sich die Region vom Weltmarktpreis besser abkoppeln“, lautet ihre Einschätzung. Knapp 80 % des Safts werde vom Verbraucher aber im Discounter zu Billigpreisen gekauft, woher die Rohstoffe in diesen Konzentratsäften stammen, frage meist keiner. Auch schmücken sich zahlreiche Hersteller mit dem Begriff Streuobst, obwohl hinter vielen dieser Produkte kein Aufpreis für die Bewirtschafter steckt.

Neben vielen lokalen Saftinitiativen und den Produkten, die in Hofläden und auf Wochenmärkten abgesetzt werden, gibt es beispielsweise folgende Streuobst-Aufpreisinitiativen unter den Mitgliedern des Schwäbischen Streuobstparadieses:

„Heimat – Nichts schmeckt näher“, Landkreis-Apfelsaftinitiative, Landkreis Böblingen

„Ebbes guad`s“, Streuobst-Saft aus den Landkreisen Zollernalbkreis und Reutlingen

„Onser Saft“, Saft aus Wendlingen, Wernau, Notzingen, Köngen und Hochdorf

Nürtinger Apfelsaft

Geislinger Apfelsaft

Göppinger Apfelsaft

Apfelsaft aus Rechberghausen

Feines von Reutlinger Streuobstwiesen

Mössinger Apfelsaft

Biosphären-Saft von Burkhardt-Fruchtsäfte

Bio-Direktsaftschorlen von Göppinger Mineralbrunnen

Nähere Infos zu Aufpreis-Saftinitiativen gibt es auch unter www.streuobstparadies.de
Foto: Manfred Nuber

Datum

09.10.2014